Das Kloster, der Jakobsweg und eine Frau namens Nada

Das Kloster, der jakobsweg und eine frau namens nada

es gibt sehr viel zu lernen

Auf sehr zufälligen und glücklichen Wegen komme ich einen Tag früher nach Deutschlandsberg. Dort angekommen bin ich verunsichert. Wie soll es weiter gehen? Der Weg nach Kärnten führt über die Berge, Die Etappe ist zu lange für einen Tag. Dann haben 2 Herbergen keine Zimmer mehr und ich komme in einem kleinen netten Gasthaus unter. Ich beschließe zu vertrauen, dass sich morgen ein Weg finden wird. Am nächsten morgen spielt das Leben mir dann den nächsten 6er zu. Ein Ehepaar fährt mit dem Auto zur Weinebene hinauf, das ist der Pass über den man nach Kärnten gelangt. Sie nehmen mich mit, die Frau ist vor 60 Jahren in Oberschützen zur Schule gegangen, wie sich herausstellt, jetzt lebt sie in Deutschland. Oben angekommen sieht man schon das "Willkommen in Kärnten"-Schild und ein paar Haufen Schnee. Wir verabschieden uns und ich brauche nur mehr bergab nach Kärnten zu spazieren. 20km liegen vor mir, der Weg ist alle 200 Meter mit Distanzmarken gekennzeichnet, so sehe ich Kilometer für Kilometer den Fortschritt, das motiviert unheimlich und die Kilometer purzeln dahin. Auf dem Weg rede ich mit 2 Mädchen, einem älteren Mann und einer Dame, alle sind ziemlich überrascht, wenn das Wort "Spanien" fällt. Sie finden es toll. Mich bestärken diese Gespräche ungeheuer. Am Abend komme ich in Wolfsberg im Lavanttal an. YES! Kärnten. Eine kleine neue Welt liegt vor mir. Ich komme in einem größeren Gasthaus auf einem Hügel unter. Beim Abendessen sind alle Tische belegt und ein Mann setzt sich zu mir an den Tisch, da sonst nichts mehr frei ist. Wir haben ein unglaublich eindringliches Gespräch. Ich erzähle ihm von meinen Träumen, er mir von seinem Leben. Und als ich kurz weggehe um Geld zu holen, bezahlt dieser Schlawiner mein Essen. Danach wartet ein Date mit einer Infrarotkabine. Wunderbar!

 

Am Sonntag geht es weiter, Ziel, St. Andrä im Lavanttal. In Wolfsberg findet in wenigen Minuten die Erntedankfeier mit Umzug satt, als ich an der Kirche vorbeikomme. Ein Mann redet mich an und wir unterhalten uns über Pilgerwege und Reisen. "Schau doch mal in St. Paul beim Kloster vorbei!", sagt er "dort habe ich einen Bekannten." Wir verabschieden uns und ehe es Richtung Süden, den Fluss Lavant entlanggeht, bellt mich ein kleiner Hund an. Am anderen Ende der Leine ist eine freundliche Dame. Wir teilen den Weg ein Stück und unterhalten uns. "Mein Mann ist Schlosser, er sagt immer wieder: Soviel Arbeiten, das kann doch nicht das Leben sein!" Wir sind uns einig: Wieviele von uns leben nicht, sondern überleben nur? Tag für Tag nur um Essen, Unterkunft und vielleicht Luxus zu haben. Doch irgendwas fehlt uns... Nachdem wir uns getrennt haben und ich den Fluss hinabgehe, fließen meine Gedanken wie der Strom: Ja, was ist das, was wir außer Überleben noch tun sollen? Ist dieses ganze hin und her laufen nicht immer fortlaufen vor dem was wichtig wäre? Uns dem zu stellen, was unsere Aufgabe ist? Was ist unsere Aufgabe? Nur eines weiß ich da  in diesem Moment: Wir sind Teil von etwas ganz Großen. 

Egal wie unvollkommen ich schein

wie leise im Alltag das Tosen.

Wage dich einfach Mensch zu sein

wir sind Teil von etwas ganz Großen.

 

Bald erreiche ich St. Andrä, doch das Ziel hat sich nach dem Gespräch mit dem Mann bei der Kirche geändert. Das Stift St. Paul liegt noch knappe 8km südlich. Irgendwie gehe ich noch schneller, so gespannt bin ich darauf, wie die Leute dort wohl so sind. Wieder habe ich einige tolle kurze Gespräche auf dem Weg. Der Weg an der Lavant entlang ist wunderschön. Am Nachmittag dann erreiche ich das Benediktinerkloster in St. Paul. Irgendeie ist außer einer Touristengruppe keiner da. Die Tore verschlossen. Da kommt ein Auto mit entspannt wirkendem Fahrer in T-Shirt und Jeans angefahren, "Kann ich dir helfen?" "Ja ich suche eine Unterkunft" "Wir haben Gästezimmer, die sind natürlich verfügbar." Ein paar Anrufe später öffnet er mir das Tor. Ich habe Bruder Marian getroffen, Wie sich noch zeigen sollte, ein wunderbar humorvoller, bodenständiger und hilfsbereiter Mönch, noch in zivil. Er zeigt mir das Gästezimmer, ein großes, hohes, zweiräumiges Zimmer mit Luster, Bad und 3 Betten. Alles für mich allein. Ich hatte mit einem zu kleinen Bett un einem kleinen dunklen Zimmer gerechnet. Nicht die letzte Erwartung, die sich als falsch herausstellen sollte. 

"Um 6 Uhr ist das Abendgebet, wenn du kommen möchtest, danach ist Abendessen. Ich werde aber am Abend nicht da sein." "Und wie soll ich mit den anderen umgehen, muss ich auf etwas achten?" "Nein, wir sind recht unkompliziert" Das sollte ich bestätigt bekommen. Nach dem Abendgebet, der Vesper, geht es in einen großen Raum zum Abendessen. Ich sitze neben dem ehemaligen Abt des Klosters, Pater Heinrich. Er bringt mich mit nachgemachtem ungarischen und kärntnerischem Akzent zum Lachen. Er hat als er noch konnte gerne Fußball gespielt und war ein gefürchteter Verteidiger. Auch bei den nachfolgenden Mählern sollte es um verrückte Hühner, burgenländischen Wein, wilde Katzen... gehen. Ich lerne Petrus, Maximilian, Niklaus und Pater Maximilian kennen. 

Sie leben im Kloster, die einen schon länger, andere kürzer. Der Tag beginnt um 6 Uhr mit dem Morgengebet, das ungefähr 20 Minuten dauert. Danach geht jeder seiner eigenen Wege. Manche sind tätig in Pfarren rundherum, als Pfarrer, Kaplan oder Lehrer. Niklaus ist für die Küche verantwortlich. Er ist auch prämierter Imker und ist federführend beim hauseigenen Wein "vinum paulinum". Man kann staunen. Grundsätzlich sehe ich sie selten zwischen den Essens und Gebetszeiten (6 Uhr Morgengebet, 12 Uhr Mittagsgebet, 18 Uhr Abendgebet). Ich lerne sie als sehr offene hilfsbereite und um mein Wohl besorgte Menschen kennen. Menschen, die versuchen ihre Bestimmung im klösterlichen Leben zu erfüllen. Keiner von ihnen beginnt mit mir ein Gespräch über Religion, meistens bin ich der, der nachfragt. Das überrascht mich alles sehr. Die Lockerheit, Freundlichkeit und Entspanntheit. 

Am 2. Tag helfe ich etwas in der Küche, wo es noch scherzhafter zugeht als im Speisesaal. Eine Mitarbeiterin wird ständig liebevoll von Bruder Niklaus und Köchin Helene auf den Arm genommen und wir diskutieren ob dieses riesige grüne Etwas,, das von Erntedank gespendet wurde, eine Zucchini oder ein Kürbis ist. Dann spaziere ich auf den nahegelegenen Hügel, den Johannesberg. Oben steht eine kleine Kapelle und daneben ein kleines Gasthaus. Es ist warm, fast wie im Sommern. Nach einem kleinen Nickerchen sehe ich eine Dame beim Gasthaus, die gefallenen Birnen aufsammeln. Gemeinsam mit ihrer Tochter und ihren Enkeln darf ich ihr dabei helfen. Bei den Kindern merke ich erst, wieviel ich in den letzen Tagen nachgedacht habe und wie gut es tut, einfach nur mit den Kids blöd zu sein. Wir spielen Fußball und laufen herum. Ich bekomme Kaffee serviert und die Zeit verrinnt. Ich verpasse die Gebetszeit am Abend, aber klarerweise bin ich pünktlich zum Essen im Stift zurück. Danach hat mir Frater Marian angeboten noch eine Runde spazieren zu gehen. Es ist unheimlich interessant mit ihm zu plaudern während wir so durch die kaum beleuchteten Straßen von St. Paul gehen. Er macht gerade mit den Kindern in der Schule den Sinn des Lebens durch. Meiner Meinung nach, das spannendste und wichtigste Thema der ganzen Bildung. Wir sind uns einig, dass es ziemlich zu kurz kommt neben all der Leistung, die gebracht werden muss. 

Am nächsten morgen breche ich auf. Marian erteilt mir noch einen Reisesegen, sagt, ich sei stets willkommen und wir verabschieden uns mit einem Lächeln. Eine tolle Erfahrung.

 

 

Das Ziel ist Klagenfurt. Ich wundere mich nur so über meinen Körper, der sich scheinbar an das Gehen gewöhnt hat und nun ziemlich flott vorankommt. Auch hier fliegen die Kilometer nur so dahin. Manchmal merke ich, hoppla, das waren ja wieder 3 Kilometer, wo war ich denn da? Mein Kopf fliegt auch irgendwo umher. Dann beginnt es zu regnen als ich etwas mehr als die Hälfte geschafft habe. Vor einem geschlossenen Adeg mache ich Pause. Da ruft mich jemand von Amnesty International an, es wird um eine Spende gebeten. Als wir das geklärt haben kommen wir auf die Wanderung zu sprechen und plaudern noch 2 Minuten. Er findet es cool. Dann geht es weiter. Ich überquere die Drau und komme in ein Minidorf. Der Regen und die so kleinen Orte haben mich eher demotiviert. Ich wünsche mir ein Gasthaus, wo ich Kaffee trinken und rasten kann, da sehe ich ein Schild, will hineingehen, doch es ist zu. Ich setze mich vor den Eingang. Und da murmel ich vor mich hin: "Ich fühl mich ziemlich allein... Ich würde so gerne einen Menschen treffen..."

Da geht hinter mir die Tür auf. "Hey, kumm doch eina! Wos mächast? An Kaffee?" Oh ja, den möchte ich und ich glaube aufgrund eines gewiss vererbten Gens frage ich: "Hast du auch was Süßes?" "Uhh, da muss ich schauen." Ich zittere, aber wir finden Schokolebkuchen.

Die Frau heißt Nada und ist Anfang 70. Und was für eine Frau. Sie ist so voller Energie und Leben und erzählt mir ihre Geschichte. Von 6 großgezogenen Kindern, dem Übersiedeln nach Österreich (sie ist gebürtige Slowenin und spricht eine spannende Mischung aus kärntnerisch und slowenisch akzentiertem Deutsch), ihrem Gasthaus, vom Reisen. Sie wärmt mir noch etwas vom Mittagessen auf und wirf meine nasse Regenjacke in den Trockner. Ich staune. Und wir reden miteinander, als hätten wir uns schon ewig gekannt. Über Reisen, Mut, Schwierigkeiten und Begeisterung. Wir lachen viel.

Sie holt meine Regenjacke aus dem Trockner und gibt sie mir, In den Klettverschlüssen hat sich ein BH verfangen, was sie noch nicht bemerkt hat. Als ich ihn langsam herauslöse lacht sie auf und ruft: Florian du Schlingel, wo warst du nur wieder?! Ich sage: Im Kloster! Erst da begreift sie, dass es ihr BH ist. Wir wiehern beide los. 

Auf ihrem neuen Scooter begleitet sie mich ein Stück des Weges. Dann gehe ich alleine weiter, bis ich am Waldrand zufällig auf eine Wegbeschreibung stoße, die mich ziemlich freut...

Ich bin auf Kärntner Jakobsweg gestoßen. Das Leben meint wohl, ich soll nicht scheinheilig werden, deshalb biegt der Jakobsweg nach 10 Metern wieder nach rechts weg, wo ich links muss. Es geht durch den Wald und nach dieser Begegnung mit Nada bin ich so beglückt, dass die Kilometer wieder dahinfliegen.

Am Abend erreiche ich Mittlern, von wo aus ich den Zug nach Klagenfurt nehme, wo ich schon eine Unterkunft für die nächsten Tage habe.

WOW, sind diese Tage voll

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Kommentare: 1
  • #1

    Maria aus Willersdorf (Samstag, 14 Oktober 2017 07:57)

    So spannend, was du alles erlebst und wie du es beschreibst!
    Ich kann es in Gedanken miterleben.
    Dir weiterhin so bereichernde und intensive Erlebnisse auf deiner "Schatzsuche" !!!
    Herzlichst, Maria��