Rudern, Reiten, Krampen brechen

Rudern, reiten, krampen brechen

In Kärnten ist man viel draußen

Am Dienstag vor einer Woche kam ich bei Desirée in Klagenfurt an. Eine flüchtige Bekannte bis dahin, die mir angeboten hatte bei sich zu wohnen, wenn ich in Klagenfurt vorbeikomme. Wunderbar! Sie verpflegte mich mit Essen, Freizeitprogramm und eine wenig Arbeit, wo ich mir ein bisschen verdienen konnte. Am ersten Tag beschloss ich zum Rückenfitprogramm des Uni-Sportinstitutes Klagenfurt zu gehen, es war Schnupperwoche, alle Kurse gratis, auch wenn ich der einzige Junge dort war, ich hielt es für notwendig und es tat gut.. Danach durfte ich Rasenmähen. Eine tolle Tätigkeit, man sieht sofort die Auswirkungen von dem was man tut. Man hinterlässt eine Spur. Am Tag darauf waren die Buxbäume der Nachbarin fällig. Sie waren von einem Parasiten befallen, dem sogenannten Züssler. Gemein hatten die Würmer die ganzen Sträucher zerfressen, nun mussten sie ausgegraben werden. Es war ein heißer Tag und ich ging vorsichtig an die Arbeit heran, zärtlich buddelte ich die zähen Wurzeln aus. Dass dabei eine Spitzhacke und ein Spaten kaputt gingen halte ich für ein übles Gerücht. Aber hin und wieder ging es doch etwas grob zu. 

Dann nahm mich Desirée mit zu ihrem Ruderverein. „Vielleicht kannst du ja mitfahren.“

Und ja ich durfte mitfahren. Im Fünferboot. Ich saß in der Mitte, zunächst noch etwas unbeholfen. Man muss darauf achten, dass man im Takt der anderen ist, die Ruderblätter umklappt, wenn sie aus dem Wasser kommen, sie so nach hinten führen, derweil mit dem Gesäß nach vorne fahren, die Ruder ins Wasser und sich mit den Beinen nach hinten drücken. Man erreicht zu fünft ungefähr 15 km/h, wenn man jetzt nicht auf Olympianiveau unterwegs ist. Wir ruderten eine Stunde am Wörthersee und ich war sehr stolz, dass ich bald reinfand und die anderen mich nachher sehr lobten. 

Danach ging ich zum Hallenvolleyball der Uni, das war großartig, endlich mal wieder austoben. Am Ende waren wir zu dritt in einem Team, auf 3 Felder verteilt und spielten jeder gegen jeden, wir motivierten uns gegenseitig, feierten Sieg um Sieg. Es war schön. Danach ging ich mit Bernd ein Stück des Weges nach Hause, ein Jus und Romanistik Student. Weil die Unterhaltung so nett war ging ich weiter als ich musste, verriet es ihm aber nicht. Wir gingen immer weiter, er fragte, welche Richtung besser sei, ich meine rechts, wir gehen rechts. Erst als er fragt: Wo musst du eigentlich hin?! Sage ich, dass ich schon vor einer halben Stunde hätte rechts weg müssen. „Ja ich muss ja auch überhaupt nicht hierher, was machen wir dann hier?!“ Da lachten wir beide. Wir waren beide einfach so nett gewesen, dass wir den anderen nicht wissen lassen wollten, dass wir einen Umweg gehen. Am Ende lernte er eine neue Seite von Klagenfurt kennen. Wir scherzten schon, wir seien in Slowenien. Dann verabschiedeten wir uns.

Dann gab es ein kleines Oktoberfest bei einer netten Nachbarin, mit Weisswurst und allem drum und dran. Am nächsten Tag dann ging es auf den Terra Rossa. Ein Berg gleich nach der Grenze zu Italien, ca 2.400m hoch.  Mit einer großen Gruppe des Alpenvereins bestiegen wir ihn in 3 Stunden, genossen die Aussicht auf dem alten Kriegsweg, der immer über der Baumgrenze verlief, also sahen wir immer rundum die ganze Bergwelt Norditaliens. Es war ein warmer Tag, wir sahen Steinböcke, manche posierten sogar für Selfies mit den Wanderern.  Oben dann sah man alles. Unser Gruppenleiter erklärte mir die Bergwelt rundherum. Nockberge, Dobratsch, Tauern... Und das Meer! Am Horizont sah man die Wellen der Adria schimmern. Ich habe das Meer gesehen, was für eine Motivation! Runter ging es wie immer schneller als hinauf.

Am Abend stand noch die Lange Nacht der Museen an. Wir gingen in verschiedene Kunstmuseen und dann einmal um die Welt-Minimundus.

 

Dann war Sonntags ein Gottesdienst, der so lebendig war, dass es ansteckte. Der Orgelmeister tobte sich aus, so dass keiner sein eigenes Singen verstand und legte ein Tempo vor, bei dem nicht nur die älteren ins Stolpern kamen. Es gab eine Taufe, es war eine afghanische Familie, daher wurden alle Texte die gelesen wurden auf Farsi übersetzt, sodass alle Familienangehörigen verstehen konnten. Danach gab es Kirchenkaffe und ich spazierte in der Sonne nach Hause. 

Am Montag konnte ich mir noch etwas Geld dazuverdienen indem ich bei einer Freundin von Desirée eine Kommode zusammenbaute. An dem Tag war ich nicht gut drauf. Ich war vom Geldverdienen aber so angetan, dass ich dachte, je länger ich brauche, desto mehr bekomme ich bezahlt. Erst nach kurzer Zeit checkte ich, was ich da dachte und haute mich wieder rein. Geld als (einzige) Motivation kann uns viel an Freude nehmen. Ich kommunizierte nicht viel mit der Dame, die sehr nett war. Hatte eigentlich nicht so viel Spaß daran, etwas zusammenzubauen, was ich sonst gerne mache. Das habe ich aus den Augen verloren und das tat mir im Nachhinein leid...

Am Dienstag dann ging es weiter. Das Ziel lag kurz vor Villach. Am Nordufer des Wörthersees ging es entlang. In Pörtschach bog ich rechts weg in eine wunderschöne Hügellandschaft. Eine kleine Straße und kleine Dörfer und viel grün, dazu Sonnenschein. In einem Dorf begegnet mir ein Hund, der mich prompt begleitet. Durch das ganze (sehr kleine) Dorf. Schließlich frage ich eine Frau, wem der gehört. Dem Bauern am Ortsanfang, der geht mit jedem Fußgänger mit, ich fühle mich geehrt, eine Frau hält ihn aber netterweise für mich fest, ich flüchte. Nach 26km ist das Ziel erreicht. Stallhofen.

Ulli empfängt mich, danach auch ihre lebendige Enkelin und ihr Sohn. Ulli ist eine sehr lebendige Frau, die zum Essen gerne Wein trinkt, sich beim Lachen nach vorne beugt, (und sie lacht oft) und eine Islandpferdereiterin. Gleich neben ihrem Haus hat sie den Stall für 6 Islandpferde. Mein Job ist das Füttern in der Früh, zu Mittag und am Abend, sowie das ausmisten des Stalles. Das alles gefällt mir sehr, es ist irgendwie befreiend zu wissen, welche Aufgaben man hat und sie ohne Zeitdruck erfüllen kann. Es gibt neben den Pferden auch Zwergschweine, Hühner und Katzen. Ulli setzt mich aufs Pferd. 2 mal reiten wir aus. Zuerst bindet Ulli mein Pferd an ihres „damit das Pferd nicht auf dumme Gedanken kommt“. Gestern aber durfte ich dann alleine reiten. Wir gingen, trabten und galoppierten durch die Wälder in der Nähe. Mein Pferd war mir in gewisser Weise ähnlich, immer wenn ich unachtsam war, schnappte es sich im Vorbeigehen ein Grasbüschel und fraß es. Ulli bewirtete mich ordentlich, es gab Kärntner Kasnocken und Goldbrasse. Ich verbrauchte einiges an Taschentüchern, Ulli ging zwischenzeitlich mit den gebrauchten raus um sie zu verbrennen, mich hatte ein Schnupfen über, nein noch schlimmer, ein „Männerschnupfen“ (Eine Form des Schnupfens, dem der Frau nicht unterschiedlich, jedoch führt es beim Mann zu  Wehklagen und großem Selbstmitleid). Es war trotzdem eine sehr schöne Zeit.

 

Heute dann ging es weiter, Ulli nahm mich mit nach Villach und wir verabschiedeten uns. Es ging nun den Gailtalradweg entlang. Unglaublich schön. Die Sonne schien und das Wasser rauschte kristallklar an mir vorbei. Immer wieder tauchte rechts ein großer Berg mit riesigen Felswänden auf, der Dobratsch (Hausberg von Villach).  An einem kleinen Steinstrand an der Gail mache ich ein Mittagsschläfchen und begegne einem Mann mit Kind. Sie habe auf dem Strand eine kleine Stadt aus Sand uns Steinen errichtet, ich darf sie besichtigen, sie ist zwar nur einem Quadratmeter groß, beherbergt aber einen Drachen und einen König. Der Mann ist Waldorf-Kindergärtner, eine wunderbare Form Kindern zu begegnen. Er wünscht mir eine gute Reise. Am abend komme ich in Arnoldstein an, wo ich heute Nacht in einer Gaststätte bleibe. Morgen geht es dann zu einem Clown ins Ausbildung nach St. Stefan im Gailtal. Ich bin gespannt! 

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Kommentare: 2
  • #1

    Gottfried (Donnerstag, 19 Oktober 2017 19:12)

    Hallo Flo!
    Wie reich bist du jetzt schon beschenkt!
    (Auch so ein Schnupfen kann ein Geschenk sein, man weiß nur meist erst nachher ... )
    LG Gottfried

  • #2

    Florian (Donnerstag, 19 Oktober 2017 21:25)

    Ja Gottfried, stimmt, der ist mir jetzt durch das Gehen wieder entflüchtet. Freu mich sehr, dass du die Berichte liest. Alles Liebe
    Florian