Baun' wir doch eine Kirche!

Baun' wir doch eine kirche!

Von Clowns, Träumern und dem hund im kloster

Am Abend des Samstags vor einer Woche hatte ich in Arnoldstein ein Plakat gelesen. Ich wollte am nächsten Morgen in die Kirche gehen und war genervt als ich las, dass keiner stattfand. Auf dem Plakat war nun eine Einladung zur Einweihung der evangelischen Kirche in Nötsch abgedruckt. Deswegen also kein Gottesdienst.. Das wollte ich sehen. Am Sonntag ging es nach ausgiebigem Frühstück ins herbstbunte sonnenbeschienene Gailtal. Es war Wahltag, deswegen wählte ich nicht die Route am Fluss entlang, sondern den Weg durch die Dörfer, ich dachte mir, dass sicher viele Leute unterwegs sein werden um zur Wahl zu gehen. In der Tat, ich traf einige, manche überzeugt ihre Pflicht zu tun, andere die eher zynisch meinten: „Sind doch eh alles dieselben Schlawiner...“ Ich selbst muss zugeben, dass ich nicht gewählt habe, die Wahlkarte kam nicht bei mir an. Also für die nächsten Jahre, kein Jammern über die Regierung, auch nicht so schlecht.

2 Stunden zu Früh kam ich in Nötsch an, wo schon die Vorbereitungen für die Feier liefen. Herzlich empfing mich Anton, ein älterer Mann in Pension. Sogleich durfte ich mitanpacken. Tische aufstellen, Getränke einräumen... 

Und schön langsam sickerte die Geschichte dieses Kirchenbaus durch. Es war eine kleinere Gruppe von Leuten gewesen, die vor einigen Jahren die Idee hatten: He, baun’ wir doch eine Kirche. Und so geschah es. Es war kein von oben, von der Kirchenleitung geplantes Bauprojekt. Es war ein etwas verrückter Traum einer kleinen Gruppe Menschen. Ich meine, wer baut heutzutage noch eine Kirche? Dafür braucht es viel Hoffnung. Hoffnung, dass man Menschen erreichen kann, ihnen einen kleinen Raum schenken kann, wo sie zusammenkommen können um dem nachzuforschen, was Sinn verspricht. 

 

Jetzt stand sie da, von HTL Schülern aus Villach geplant, ein kleines mit viel Fenstern bestücktes Häuschen. Drinnen eine kleine wieder aufgepeppte Orgel, viel Holz und ein riesiges Bild an der vorderen Wand. Es war aus rotem Stoff und zeigte Fische. 

Die Sonne brannte als die Gäste in großer Zahl die Kirche überfüllten. Vor der Tür stellte man Bänke auf. Der Gottesdienst dauerte 1 ½ Stunden. Mit Dankworten und allem drum und dran. Auch der Superintendent war gekommen, ein Magister Sauer, der wie der Zufall es so will, gebürtiger Bernsteiner ist. 

Danach komme ich mit einigen Leuten ins Tratschen, teile Mehlspeisen aus und bekomme dabei selbst nicht so wenig davon ab. Dann rede ich mit Gerti, sie fragt mich, wo ich heute schlafe. Ich sage, das wisse ich nicht so genau. Also lud sie mich zu sich ein.

Ich blieb noch eine Weile. Was interessant war: Es war schon Fünf Uhr vorbei und es waren noch viele Leute da. Die erste Wahlhochrechnung? Ach, die war wohl nicht so wichtig. Klar hab ich mich kurz bei jemandem erkundigt, der am Telefon die ersten Infos herausbekam. Aber die Gespräche drehten sich um anderes.  

Peter, der Bruder von Gerti, brachte mich zum Haus von Gerti und ihrem Mann Dieter. Und das war interessant: Der Schwiegervater von Peter war in Oberschützen in der Hauptschule Lehrer in der Zeit des Nationalsozialismus gewesen. Und er war es, der sich mit seinen Schülern dazu entschied, dem Regime ein Denkmal zu bauen. Das Denkmal, heute ein Mahnmal, das 20 Meter neben unserem Haus in Oberschützen steht. Spannend.

Am Abend unterhalten Gerti, Dieter und ich uns lange. Die Wahlberichterstattung läuft nebenbei, wir drehen es leiser, denn es gibt Wichtigeres zu bereden. Wir tauschen unsere Geschichten aus. Es ist toll, sie erzählen mir viel. Danach falle ich ins Bett. 

 

Am nächsten Morgen gibt es großes Frühstück. Danach begleitet mich Gerti mit ihren Walkingstecken ein Stück des Weges, bis sie mir alles Gute wünscht und einen anderen Weg nimmt. Was für 2 wunderbare Menschen das waren. 

 

Die Aussicht von Gerti & Dieter's Balkon
Die Aussicht von Gerti & Dieter's Balkon

Das nächste Ziel ist Hermagor. Es geht einige Kilometer die Gail entlang. Ich sehe wenig Menschen und denke viel nach. Dann komme ich bei einem Ort an auf den ich mich sehr gefreut habe. Der Pressegger See. Da haben Papa, Klaus, Michi und ich früher spannende Campingurlaube verbracht. Vom Eisbergklettern, übers Falschtanken, Sommerrodeln, Downhillfahren, Canyoning bis zu den Kochkünsten der Männer. 

Da bekomme ich einen Anruf. Der Mann, bei dem ich diese Nacht bleiben will ist in der Nähe und nimmt mich mit. Neben mir auf der Rückbank sitzt ein blonder Mann. Ein anderer großer Rucksack ist im Kofferraum, ich habe David getroffen. David ist ungefähr 27 und auf Reisen. Und das spannende, er ist von Spanien aus weggegangen. Vor 4 Monaten hat er die Pyrenäen überquert. Wir reden viel. Bei Markus beziehen wir zu zweit ein eigenes Haus. Ein altes Holzhaus in dem die Familie seit 6 Jahren nicht mehr lebt. Es riecht richtig alt, wir fühlen uns wohl. Von uns wird nicht viel verlangt, das waren auch die Worte Markus’ als ich in Auto stieg: „Wenn ihr etwas arbeiten wollt ist das ok, wenn nicht auch ok.“  Wir helfen ihm aber doch beim Terassenholz lackieren. Markus hat eine quicklebendige Familie. 4 Kinder zwischen 3 und 10. Das ist ein bunter chaotischer Haufen. Mit den Kids wird draußen im Trampolin und drinnen auf der Couch herumgeturnt und Hundewelpin Sina jagt aufgedreht durch den Garten.

Markus ist ein Clown. Er besucht oft Clownworkshops in Italien und liebt es als Clown in Altenheime zu gehen. Er selbst und seine Frau Rita arbeiten in einem als Pfleger. An einem Tag besuchen wir ihn im Heim. Tratschen ein wenig mit den Leuten, es wird gerätselt ob ich und David, mit seinen langen blonden Haaren, wohl Jungen oder Mädchen sind... Dann erlebe ich Markus in Action, er rollt eine Dame im Rollstuhl ganz nah zu sich her, sodass sich ihre Köpfe beinahe berühren und fährt sie wieder zurück, immer wieder. Das wirkt so verspielt und es gefällt beiden so, dass es wirklich gut tut zuzusehen. Sie lachen. 

Am Abend besuchen wir noch ein Asylheim wo 3 aufgeweckte Kids bei einer Familie über uns herfallen, als wir beginnen mit ihnen zu spielen. Luftballonschlacht. 

Am nächsten Tag verabschiede ich mich, ich spüre es ist Zeit weiter zu gehen. Das Lesachtal wartet.

Die Clowns lernen sich kennen
Die Clowns lernen sich kennen
David und Sina
David und Sina
Das alte Holzhaus
Das alte Holzhaus

Also geht es durch Kötschach-Mauthen hinein in eines der naturbelassensten Täler der Alpen. Es ist ein enges Tal durch das sich eine Bundesstraße schlängelt. Man sieht überall Bauernhöfe und Holzscheunen. Am Abend erreiche ich Birnbaum, einen kleinen Ort und schlafe in einer Gaststätte. Dann geht es weiter nach Maria Luggau, nach ein paar Stunden gehen komme ich in dem Wallfahrtsort an. Von weitem sieht man eine große Basilika. Ich frage um Unterkunft und bekomme sie, jedoch kostet es hier etwas. In den Lokalen frage ich, ob sie Aushilfe brauchen. Man sagt mir, die Saison ginge schon dem Ende zu, man brauche keine Hilfe mehr. Aber ein Gastwirt spendiert mir einen Kaffee als er meine Geschichte hört. Am Abend schaue ich mir „Don Camillo und Peppone“ auf meinem Handy an, was sich in den letzten Wochen immer wieder wiederholte. 

Beim Frühstück kann ich kurz mit einem Pater und einem Bruder reden, bin aber eher enttäuscht, weil ich gehofft hatte, mehr kennenzulernen. Da sagt mir Bruder Stanislav, dass er mit dem Hund spazieren geht, ich frage und darf ihn begleiten. 

Der Hund ist Carlos, ein kleiner Papillon. Carlos ist Stanislav’s Partner im Kloster. Als wir an alten Mühlen, die noch arbeiten, vorbeigehen erzählt er von der Zeit, als er sich entschied ins Kloster zu gehen. Der Beruf damals erfüllte ihn nicht sonderlich. Und er entwickelte eine Vorliebe für christliche Literatur. Da schloss er sich nach einigem hin und her den Serviten an. Es geht ihm einerseits um die Ruhe, andererseits um das Unter-Menschen-sein. Er lacht sehr viel und ist sehr offen. Gerne hört er sich auch meine Geschichte an. Der Hund? Zuerst war es ein Chiuaua. Er betreute einen Demenzkranken Mitbruder und hatte gehört, dass es für Menschen mit Demenz gut ist, wenn ein Tier bei ihnen herumläuft und ihre Aufmerksamkeit wach hält. Da kam zunächst der Chiuaua und dann Carlos. Das war mit etwas Widerstand im Kloster verbunden, doch er setzte sich durch. Die 2 haben eine sehr freundschaftliche Beziehung. 

Danach fand eine Hochzeit in der Kirche statt, das wollte ich sehen. Tatsächlich war es sehr schön, soviel lachende Gesichter. Die erste Hochzeit die ich wirklich erlebe. Alle sind in Trachten gekleidet, es wird gejuchazt und die Quetschn gespielt. Statt Reis zum werfen, werden kleine Behälter mit Seifenblasenlauge ausgeteilt. Durch den Seifenblasenregen geht das Paar nach draußen. Ich habe erfahren, dass der Pfarrer aus Lienz kommt und frage ihn ob er mich mitnehmen kann. Natürlich. 

Eigentlich wollte ich ja nach Sillian an die italienische Grenze, aber die Pläne haben sich geändert, ich möchte den Winter über in Österreich bleiben, vielleicht als Skilehrer. 

Mal sehen. In Lienz kann ich in der evangelischen Kirche übernachten, ich werde wunderbar versorgt. Am Abend gehe ich laufen. Da sehe ich eine Gruppe Burschen Fußball spielen. Eines meiner größten Bedürfnisse der letzten Zeit ist eine gute Partie Fußball. Und während ich mich noch frage, wie ich sie wohl anreden soll, spielt mir das Schicksal „den Ball zu“. Ja, der Ball fliegt ihnen über den Zaun und ich darf ihn ihnen zurückbringen, da bin ich gleich im Spiel. Und es wird hart gefightet. Danach finde ich ein Jugendzentrum, wo ich noch ein wenig mit den Betreuern und Jugendlichen tratschen kann, danach gibt es Abendessen im Haus des Pfarrers. 

 

Also, das große Ziel in Österreich, Lienz, ist erreicht. Doch geht es jetzt nicht wie gedacht weiter Richtung Südwesten, sondern es geht Richtung Nordosten, in Richtung Bad Gastein. Mal sehen was noch so passiert.

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Lisi (Sonntag, 29 Oktober 2017 11:08)

    Hallo Flo! Du schreibst so interessant und amüsant, es macht richtig Freude deinen Weg aus Oberschützen nachzuerleben! Ich wünsche dir alles Gute für die weitere Reise und freue mich auf den nächsten Bericht! Alles Liebe!

  • #2

    Florian (Sonntag, 29 Oktober 2017 13:03)

    Hallo Lisi! Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass du meinen Bericht liest. Es freut mich sehr (:
    Ich wünsch euch alles was gut tut nach Oberschützen!

  • #3

    Zsuzsanna Huszár (Freitag, 03 November 2017 22:56)

    Hallo Florian,

    Ich lese mit Begeisterung deine Einträge, wandere im Gedanken mit. Die Freiheit ist unendlich zur Zeit für dich. Geniesse deine Zeit, ich freue mich, dass du den Winter hier verbringst.

    Alles Gute