Das Elektrozaun-Gleichnis und die Kartoffelente

Das elektrozaun-gleichnis und                          und die kartoffelente

Am bio bauernhof

Gleich vorweg eine kleine Anekdote mit Moral:

Das Elektrozaun Gleichnis

 

Gestern hat er mich erwischt,

bei der Hand, als ich das Kälberwasser füllte,

hat mir brav eine gewischt

als ich nach ihrem Trog gefischt

und die Sicht mir kurz verhüllte.

 

Heute nun stand ich vorm Zaun,

erneut Wasser zu fülln'

Da erinnerte ich gestrigs' Graun'

kam nicht drum rum zweimal zu schaun

Ob Elektronen noch den Zaun durchspüln'.

 

Er war aus, das war gewiss

doch mein Kopf der traut dem Ganzen nicht.

Drum stürze ich durch's Hindernis

Ob Nasenbruch, ob Bänderriss

Doch Strom war da ja wirklich nicht!

 

Jedoch der Effekt, er war derselbe

zweimal nun schon den Boden küssen.

begriff ich nun an Ort und Stelle,

die Lehre die ich jetzt vermelde:

Zuerts ließ Zaun, dann Angst mich grüßen.

 

Also empfehle ich:

Versuche jedes neu Projekt,

mit Liebe und Vertraun'.

Wer nur wartet, dass ihn niederstreckt,

die Sorg' die klare Sicht verdeckt 

und wenn's ihn da vor Angst erschreckt

wird's ihn wieder niederhaun'.

 

 

Nach der Nacht im Gemeindesaal der evangelischen Kirche von Lienz gab es zuerst keinen Plan. Wohin soll es jetzt gehen? Da rät mir die Pfarrersfamilie, ihre Bekannten mit einem Bio Bauernhof zu kontaktieren. Ja, es gebe genug zu tun, ich sei Willkommen. So brachte mich Marion, die Messnerin der Kirche, eine energie- und schmähgeladene Dame, zum Hof ihrer bekannten in der Nähe von Oberdrauburg. Kathi und Friedl empfangen uns in der Küche und wir bekommen Abendessen serviert. Ich fühle mich gleich wohl. Dann gehen wir in den Stall hinüber, wo ich Hannes kennenlerne und gleich mal gebeten werde, vom Heuboden Heu runterzuwerfen. Toll! 

Tja und so sind die Tage verflogen. Das aus einer geplanten Woche nun 3 wurden hat seine Gründe. 

Kathi und Friedl sind die Eltern von Hannes, er ist das Älteste von 4 Kindern, 52. Erst vor einem Jahr hat Hannes hier den Hof übernommen, geplant war es anders. Hannes hat einen Doktor in Mathematik und war 2 Jahre in Japan. Er hat ein unverkennbares Lachen, das ich dieser Tage oft höre. Zum Beispiel als ich ihn Frage, was das Lustigste war, das ihm bisher am Hof passiert sei: "Das war, als ich die Kühe molk und es auf einmal bei einer Kuh losging. Sie erledigte ihr Geschäft unterstützt von Darmwinden und hatte mich gut im Visier dabei. Ich musste die Milch davor beschützen, verunreinigt zu werden. Das muss ziemlich lustig ausgesehen haben von außen." Eine ähnliche Geschichte höre ich von Friedl, der nicht in die Schussbahn einer Kuh, sondern in die, des Güllefasses gekommen war. 

Hannes ist mit Helga verheiratet, ihre 2 Kinder, Benni und Henry sind 3 Monate und 2 Jahre alt. Helga ist stets auf Zack mit den zweien. Wenn Benni mich jetzt sieht, reißt er die Hände in die Luft und brüllt wie ein Dinosaurier, das ist unser gemeinsames Spiel geworden, ich flüchte normalerweise oder kontere mit dem Bussi-Dinosaurier. 

Ein Tag auf dem Hof hier ist sehr geregelt: Um 6 stehe ich auf und gehe in den Stall, wo Hannes schon seit viertel 6 melkt. Ich gebe den Kühen Heu und füttere die 2 Schweine. Danach geht es zum Frühstück. Es gibt frische Milch und selbstgemachte Butter und eigens hergestellten Speck. Wenn Helga dann mit dem Baby Henry in die Küche kommt und ihn Großmutter Kathi gibt ist immer: "Da ist ja endlich meine Nachspeise!" zu hören. 

Danach treiben wir die Kühe auf die Weide. Es geht über die Straße, die durch den kleinen Ort führt. Die Kühe gehen gemächlich ihr Tempo, auch wenn ein Auto hinter ihnen herfährt. Zurück am Hof fahren wir entweder zu einer anderen Weide um dort Wasser hinzubringen oder einen Zaun aufzustellen; sortieren Kartoffeln aus, wo wir auch die Kartoffelente von der Kartoffelernte finden

 

Nach ein paar Stunden ist der Wagen leer, die guten Kartoffeln abgefüllt und die weniger tollen für die Schweine eingelagert. Um 12 gibt es Mittagessen. Kathi ist eine wunderbare Köchin. Es wird wieder viel getratscht. Langsam verstehe ich den Hof: Es gibt ungefähr 11 Kühe die täglich 2x gemolken werden. Dann gibt es Kühe, die "trockengestellt sind, weil sie innerhalb von 2 Monaten gebären werden. Die Haupteinnahmen kommen aus dem Milchverkauf an die Kärntnermilch, die alle 2 Tage in der Früh kommt um die Milch abzusaugen. Alles Bio. Neben der Milch ist der Hof auf Kräuter spezialisiert. In jeder freien Minute packt Kathi Tee- und Gewürzmischungen ab. Kathi bäckt auch jeden Freitag Brot. Sauerteig ist ein Teig, den man eine Zeit lang stehen lässt, meist lässt man von der vorigen Woche ein wenig vom Teig über, um ihn dann wieder hineinzumischen. Er wirkst wie Hefe und lässt das Brot aufgehen. Kathi erzählt mir, dass sie das seit Fünfzig Jahren jede Woche macht. Also ist ein ganz kleiner Teil des Bortes durch den jeden Freitag weitergegebenen Sauerteig über 50 Jahre alt. Vielleicht schmeckt das Brot deswegen so gut.

Nach dem Essen gibt es Siesta. Ich lerne sie zu lieben, halte ausgedehnte Mittagsschläfchen, oder gehe spazieren. Dann wird wieder auf den Weiden gearbeitet, oder etwas am Hof hin und her getragen, bis es um cirka 4 Uhr zur Jausn geht. Kathi ist unglaublich, fast jeden Tag schafft sie es, eigens dafür etwas zu Backen. Wir trinken Kaffee und tratschen wieder. 

Bei einer Anekdote zerbröselte es mich:

"Früher war das mit dem künstlichen Besamen der Kuh nicht so leicht. Der Tierarzt musste kommen, das Röhrchen mit dem Samen in die Kuh stecken und den Samen hineinblasen. Nun erzählt man sich hier die Geschichte eines Tierarztes, der zur Besamung gerufen wurde. Danach kam er etwas blass aus dem Stall und man fragte ihn, was passiert sei. Er klagte: Die Kuh hat zuerst geblasen!"

Nach der Kaffeepause werden die Kühe von der Weide geholt. Es ist ein wunderbarer Gang zum Feld und mit den Kühen zurück. Die Kühe werden gemolken, ich füttere und darf immer wieder selber melken, dafür gibt es eine kleine Melkmaschine. Es sind ungefähr 20 Liter, die eine Kuh am Tag gibt. Nach 2 Stunden im Stall geht es ins Haus. Abendessen, ZIB 2 schauen, manchmal stolpert Sepp Forcher, die Millionenshow oder Universum des Weges, oder ich ziehe mich früher zurück. Meist falle ich um halb 10 ins Bett. 

 

 

Trotz dem sehr geregelten Rhythmus, wird es irgendwie nie alltäglich. Ständig sind Gäste da, Verwandte, Bekannte. Einmal kommt David, den ich im Gailtal getroffen habe für 2 Nächte vorbei und hilft auch. Dann Clemens, ein alter Bekannter der Familie, der vor über 20 Jahren auf der Alm die Kühe hier über den Sommer gehütet hat. 

Als wir eines morgens zur Weide kommen, auf der Kühe Tag und Nacht sind, die nicht gemolken werden, liegt neben einer Kuh etwas auf dem Boden. In der Nacht mit Minusgraden hatte Lola, die Kuh, einen kleinen Stier geboren. Wir hatten es erwartet, aber nicht so früh. Wir bringen die Mutter und das Kalb in den Stall. Dort passiert etwas schmerzhaftes. Das Kalb wird von der Mutter getrennt. Die Mutter soll ja weiterhin Milch für die Menschen geben, das Kalb wird zwar mit der Milch der Kuh, aber mit der Flasche aufgezogen. Der kleine Stier Lupo gewöhnt sich bald an uns, wir springen im Laufstall herum, er saugt an meinen Fingern, gibt mir eine Kopfnuss und steigt auf meinen Füßen herum. Vor ein paar Tagen komme ich in der Früh in den Stall und Hannes fragt: Hast du gewusst das die Kuh heute kälbert?" Die Kuh namens Woke hatte ein paar Wochen zu Früh ihr Kalb geboren, auch ein Stier. Hannes erlaubt mir, den Namen auszusuchen. Im Laufe des Tages fällt mir ein Name ein. Die Namen der Kälber beginnen immer mit dem Anfangsbuchstaben der Mutter, um klarer zu wissen, von wem ein Kalb stammt. Er heißt Winnie. 

Letzten Montag hat es geschneit. Das war wunderschön, hieß auch, dass viel los war. Beim Frühstück ruft die Nachbarin an, die uns sagt unsere Kühe seien in ihrem Garten. Der Schnee hatte die Schnur des Elektrozaunes niedergedrückt und sie waren einfach raus. Nachdem wir sie im Stall hatten mussten wir auch die Kühe von der anderen Weide holen, Das hieß auch, dass wir die Kühe 20 Meter über die Bundesstraße treiben mussten. Als Hannes den Zaun öffnet halte ich den Eimer mit Hafer in der Hand, mit dem wir die Kühe locken wollen. Das klappt etwas besser als geplant, denn schon finde ich mich dabei quer über das verschneite Feld zu jagen, hinter mir 5 Kühe, die immer wieder versuchen den Eimer zu erreichen, das Horn einer Kuh spüre ich am linken Oberarm. Ich lege den Turbo ein und sehe, wie Hannes, der hinterherläuft, aufgeben muss. Im gleichen Tempo geht es über die Bundesstraße, die Friedel kurz gesperrt hat. Nach 300 Metern sind wir beim Stall, Kathi kann gerade noch die Weichen stellen (sie hängt eine Schnur ein die die Kühe in den Stall führt), Jetzt sind alle drinnen. 

 

Mit den Schweinen habe ich etwas gelernt. Die Schweine kamen schon ziemlich groß vor 3 Wochen hier an. Sie werden ein wenig hochgefüttert und vor Weihnachten geschlachtet. Das war irgendwie komisch. Ich stehe also täglich diesen Tieren gegenüber, füttere sie und weiß doch, dass sie nicht mehr lange zu leben haben. Was hat das für einen Sinn? Was hat dieses Schweineleben noch für einen Grund? Schlafen und Fressen. Eines Abends sitze ich vor den Schweinen nachdem ich sie gefüttert habe und schau sie an. Kann die Zuwendung eines anderen Lebewesens ihnen Sinn geben? Ich beginne mit ihnen zu reden, versuche zu scherzen und ihnen Gutes zu wünschen. Streichle sie kurz und gehe. Das sollte ich für die ganze Zeit hier täglich beibehalten. Ich weiß nicht ob es einen Unterschied für sie macht, doch dieses kurze Leben scheint mir sinnvoller mit Liebe als ohne. Das tragischte was man im Stall beobachten kann ist, wenn die Kühe, die im Laufstall sind, das heißt nicht wie die Kühe die gemolken werden an einem Stand stehen, sich gegenseitig mit den Hörnern attackieren. Sie stoßen die kleineren Kühe weg vom Futter, obwohl es weit genug für alle gäbe. Das bringt einen zur Weißglut. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt so geschimpft habe. "Es ist genug da und du Idiot stößt die kleinere weg, ich versteh das nicht!" Sie meinen, dass nicht genug Futter für alle da ist und meinen es gegen die anderen verteidigen zu müssen. Man kann Ähnlichkeiten mit einem gewissen anderen Lebewesen erkennen. Auch ich fühl mich schuldig. Stellen wir uns mal vor, wir würden vertrauen, dass wir genug haben, Würden wir dann noch anderen ihr Land wegnehmen? Wälder abholzen? Jobs machen, die wir nicht mögen? Weiterlaufen um Ruhm und Anerkennung? Vergessen, was ein Mensch ist?

 

Am Montag geht es nach Innsbruck, ein weiterer Clownworkshop steht auf dem Programm, ich bin gespannt!

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Kommentare: 2
  • #1

    Günter Toth (Mittwoch, 15 November 2017 22:40)

    �������������������. Ich will mehr. Ich will mehr von deinen Geschichten. Danke.

  • #2

    Maria - Willersdorf (Dienstag, 21 November 2017 07:19)

    Ich habe jetzt deinen Eintrag in ROM gelesen - auch ich habe eine erlebnisreiche Zeit ich fühle das Leben sehr intensiv hier. Ciao, M.