Taizé und wie es ist Heim zu kommen

In taizé sein und                          wie es ist heim zu kommen

Gemeinschaft erleben und ein weg nach Haus

In den letzten Sonnenstrahlen des Tages erreichte ich den kleinen Hügel in der malerischen Landschaft. In mir kribbelte es. Ich kam immer näher. Ein Schild: „Communauté“. Gleich war ich da. Und endlich stellte sich in mir die Feierlaune ein. Mit breitem Grinsen begrüßte ich alle, die mir auf der Straße begegneten. Darunter waren auch zwei Jungs, die auf einer Mauer dem Sonnenuntergang hinterhersahen und sich unterhielten. Der eine hatte eine Ukulele. Herzlich begrüßten sie auch mich. Wir redeten kurz und sie entschlossen sich, mich die letzten Meter zu begleiten und ich dachte: Wow, wenn alle Leute hier so sind... Sie brachten mich zur Anmeldung, wo mich jemand empfing und mir alles erklärte. Ein Mann fragte neugierig: „Sind das deine Jonglierkeulen da auf dem Rucksack?“ Ich bejahte. Ob er sie sich mal ausborgen dürfe. Natürlich, grinste ich. Und er nahm sie sich und legte los. Es stellte sich heraus, dass er Mexikaner war und einige Zeit in einem Zirkus gearbeitet hatte. Wir jonglierten zusammen und es kamen noch andere dazu. Die Sonne war weg, aber es war noch sehr warm. So standen wir und jonglierten und ich dachte, das muss ein wunderbarer Ort sein. Danach stellte ich fest, dass ich mit den beiden von der Mauer im Zimmer war.

 

In Taizé ist der Tag sehr voll. Morgens beginnt es mit dem Morgengebet in der Kirche, danach gibt es Frühstück. Bibeleinführung ist um 10, danach eine Gesprächsrunde, dann wieder Kirche und Mittagessen. Am Nachmittag haben manche Arbeit zugeteilt bekommen wie Mistkübel ausleeren oder putzen. Das ist in Taizé Tradition, jeder hilft mit. Am Abend dann ist um 7 das Abendessen und danach noch einmal Kirche. 

 

Die Grundwerte der Gemeinschaft von Taizé sind Freude, Einfachheit & Barmherzigkeit.

Für mich machte Taizé aus: Menschen, Singen, Reden, Entspanntheit.

 

Es waren Menschen von der ganzen Welt dort versammelt. Manche für ein paar Tage, manche für eine Woche, manche für Monate und manche für ein Jahr. Hauptsächlich junge Leut. Spannend dort war, dass man gleich mal in einer Gruppe dabei war. Man kann ohne Angst allein nach Taizé fahren, man findet seine Leute. Man redet nach 2 Minuten über Dinge, die einen wirklich bewegen. Und es tut gut zu hören, dass andere sich auch nicht immer leicht tun im Leben. Man hört zu, geht spazieren, sitzt, redet, spielt etwas. Es ist eine große Familie. Das tut gut. Und zum ersten mal seit ich in Frankreich bin, regnet es mehr als 3 Tage lang nicht, ja die ganze Woche ist es Sommer. Wir liegen in der Wiese, jonglieren, gehen barfuß durch die Landschaft ringsum. Es ist Ferienlagerstimmung. Nachts wird Gitarre gespielt und gesungen, oder wir gehen im Dunkeln spazieren, tauschen uns aus, während wir unter dem wunderschönen Sternenhimmel Frankreichs dahingehen. 

 

In die Kirche zu gehen ist in Taizé um einiges freundlicher, als es andernorts oft erscheint. Man sitzt auf dem Teppichboden in einem hellen Raum. In der Mitte sitzen die Mitglieder der Gemeinschaft, die dauerhaft dort leben. Es wird gesungen. Es sind Gesänge in verschiedenen Sprachen, französisch, englisch, deutsch, spanisch, norwegisch... Es ist den Leuten dort ein Anliegen, dass alle die kommen einen Teil des ganzen in ihrer Sprache hören können. Die Gesänge wiederholen sich immer wieder, sodass man sie bald auswendig kann und nun, da man sich nicht mehr auf den Text konzentrieren muss, kann man sich umsehen und merkt, wie alle mitsingen, dabei sind und es überkommt einen eine Ruhe, während man singt, eine Gewissheit, ein Vertrauen. 

 

Eines Tages kommt ein Pilger an. Er hat rote Haare und spricht deutsch. Nikola kommt aus Deutschland und geht den Jakobsweg, komplett will er ihn gehen. Wir verstehen uns, er ist interessiert, genauso wie ich. Er ist ein Träumer. Auf seine Hand hat er eine Nummer tätowiert. Ein Häftling, der in Ausschwitz ermordet wurde. Der sich freiwillig abtransportieren ließ um Menschen beim Ausbruch zu helfen. Er möchte Geschichtelehrer werden. Und man sieht ihm an, die Kids werden ihn lieben, denn er will sie nicht unterrichten, sondern sie begeistern. 

 

 

Und im Gespräch mit ihm klärt sich etwas für mich. Die Frage, die in mir immer wieder aufgekommen war, seit ich von Chartres gestartet war. Was mache ich nachdem ich in Taizé angekommen bin. Ihn von seinen Leidenschaften erzählen zu hören bringt mich zu meinen eigenen zurück. Im Weitergehen in Frankreich sah ich nicht wirklich etwas, das ich machen wollte. Ich träumte vom Sommer in Österreich, vom Umgang mit Kids und Jugendlichen. Von den Clownworkshops. Und dachte an das Angebot des Leiters einer Hilfsorganisation, der mich bei den Workshops unterstützen wollte. Da entschied ich, ich werde zurückgehen. Und kurz darauf lernte ich jemanden kennen, der mich dorthin bringen konnte. Mit einer Reisegruppe aus der Schweiz fuhr ich im Bus mit, bis an die österreichische Grenze fuhren sie mich. Dort schließlich startete ich wieder zu gehen. Überquerte einen Fluss und war plötzlich wieder in Österreich und es sollte sich ein Gefühl breitmachen, das ich auch jetzt irgendwie noch habe. Ich fühlte mich gestrandet und ohne Ziel. Die Nacht verbrachte ich auf einem Fußballfeld, auf der Auswechselbank steckte ich mich aus und fühlte mich komisch. Früh wachte ich auf und ging los. Am morgen kam ich in Bregenz an. Immer noch irgendwie benommen. Was mache ich hier? Wohin? Was tun? Wo ist dein Plan? So schlurfte ich umher und suchte. Spontan entschied ich mich den Zug nach Bludenz zu nehmen, dort solle es schön zum Wandern sein. Ja wirklich, das war mein einziger Anhaltspunkt. Im Zug dann treffe ich einen Mann. Er erzählt mir, wie schlecht die Welt doch sei und wie alles bald den Bach runtergehen werde. Das mobilisiert in mir wieder Kräfte und hilft mir klarer zu werden. Und ich rede von Hoffnung und Träumen. Davon, dass es viel zu tun gebe, davon dass wir Menschen bereit sein müssen anzupacken und dass wir das schaffen werden. Im Nachhinein wundere ich mich über meine Worte. Jetzt muss ich dem, was ich da gesagt habe auch Taten folgen lassen.

 

In Bludenz finde ich Unterkunft in einem Kloster der Dominikanerinnen. Eine Schwester kümmert sich so wunderbar um mich, dass ich mich gleich wohlfühle. Schließlich treffe ich dort eine Entscheidung, die mir gut tut, weil sie mir wieder einen Weg weist. 

Ich will nach Hause, meine Großmutter beim Geburtstag überraschen und bei der Firmung meiner Cousine dabei sein. Gleich ist alles geplant. Im Schnelldurchlauf möchte ich den Weg, den ich im Herbst gegangen bin rückwärts gehen. Ich übernachte beim Bio-Bauern in Osttirol, bei Desirée in Klagenfurt, treffe Nada in der Nähe von Wolfsberg, schlafe in Graz bei den Manke’s, bei denen ich damals einen Clownworkshop gab, fahre nach Fehring und gehe nach Königsdorf zu Gabis’s Bauernhof. Dann schließlich gehe ich Richtung Norden. Doch ein richtiges Gefühl von Heimkommen ist da nicht, ich fühle mich eher fremd hier. Wie ein schräger Vogel, der hier nicht ganz her passt. Doch der Gedanke, bei meiner Familie anzukommen und sie zu überraschen motiviert mich weiter zu gehen. Schließlich nehme ich den Bus bis kurz vor Großpetersdorf und gehe zu Fuß in den Ort, am Friedhof und Opa’s Grab vorbei durch die Stadt, bis ich vor dem Haus stehe. Mir schlägt das Herz höher. Wie werden sie wohl reagieren? Und ich öffne die hölzerne Gartentür, noch hat mich niemand bemerkt. Gehe ein paar Schritte bis sich ein paar Köpfe zu mir wenden. Stille. Und als sich Sekunden später die Arme meiner Familie um mich schlossen spürte ich: hier bin ich nicht fremd.

 

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