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Begegnung

Begegnungen

Schwebt ein Lied in allen Dingen

die da träumen fort und fort

Und die Welt hebt an zu singen

triffst du nur das Zauberwort

 

Joseph von Eichendorff

 

So der Wanderer auf den ersten Blick alleine geht, so klingen doch oft in ihm die Melodien vergangener oder zukünftiger Begegnungen. Sie sind die Würze der Wanderschaft, das Unberechenbare, das Unplanbare. 

Eine Frau mit ihrem Hund, die mich ein Stück des Weges begleitet, ein ruhiger alter Teichbesitzer beim Fische füttern, eine Frau auf einem Friedhof, die um ihre Tochter trauert, ein Ehepaar beim Pilze sammeln. Der Geist der Wanderschaft lehrt einen die Offenheit für Begegnung. Unweigerlich fordert er von uns, uns auf Menschen einzulassen und erweckt in uns eine Freude daran. 

Was den Wanderer an den Begegnungen freut ist einerseits die Einladung zur Ankunft. Die Augen eines anderen Menschen treffen, eine Stimme, die an einen gerichtet ist, die Möglichkeit sich mitzuteilen, den anderen ein wenig an den Gedanken des Weges teilhaben lassen. Heimat findet einen im gemeinsamen Lachen, im respektvollen wertschätzenden Austausch, im Hinhören. Es regen andererseits auch die Geschichten, die einem entgegenschwappen, in einem das Staunen ob der Weite und Tiefe dieser Welt. Man wandert durch so viele Orte und geht so weit und an allen Orten geht das Leben so weit in die Tiefe. Tiefe im Sinne von Sich-Vertiefen, Bauen, Wachstum, Vertraut werden, geduldigem Wurzeln schlagen. Und es geschieht überall auf der Welt und füllt der Menschen Leben. Der Wanderer ist der Glückliche, der es vermag diese verschiedenen Tiefen an verschiedenen Orten zu verbinden zu einem weiten Netz von Tiefgängen. Seine Landkarte wird dreidimensional an den Orten der Begegnung. 

Es ist interessant, wie einen die Wanderschaft hier formen kann. Manchmal steigt man wie selbstverständlich in Begegnungen, die man sonst gemieden hätte, spontan begleitet man einen Fremden seines Weges, spontan teilt man ein Abendessen mit jemandem. Und dieser Geist vermag es einen zu erfüllen, einen zu tragen. Es ist, so denke ich, die Fülle des Lebens, aus der wir hier schöpfen, einer der süßesten Weine, den wir Menschen uns wünschen können. Dieses Vertrauen in Begegnung. 

Es sind oft Begegnungen mit Menschen, die unsere Lebensbahn entscheidend verändern. Es sind dies oft ungeplante Begegnungen, die in uns aber die Gewissheit anklingen lassen, dass sie sehr bedeutend sind. Und aus ihnen gewinnen wir eine neue Zuversicht für die Zukunft, durch sie eröffnen sich uns Pfade, sehen wir neue Möglichkeiten, öffnen uns für das Leben. 

 

Als Wanderer wirkt man wie ein Magnet für Begegnung. Für die Menschen ist man leicht ansprechbar. Durch den Wanderrucksack oder den offenen Blick, den gemütlichen Schritt ist man gekennzeichnet. Der Gesprächseinstieg ist leicht: "Wo gehts'n hin?" Antwortet man dann auch noch mit so verrückten Sachen wie "Weiß ich nicht genau" oder einem weit entfernten Ort, beginnt es zu prickeln. Unser Gegenüber sieht: Da ist jemand, der es wagt so groß zu denken, so weit zu gehen. Ich denke, dass die Begegnung mit dem Wanderer für viele eine Einladung ist, größer zu denken. Viele strahlen und wünschen einem Glück, wie als hätte man auch für sie einen Sieg zu erringen. Den Sieg herauszufinden, dass das Leben tatsächlich so groß, so weit, so tief und schön ist, auch wenn man dafür oft erst verlieren muss. Ein wenig aufbrausend traue ich mir zu sagen, dass dieser Weg, diese Suche, eines jener realen Abenteuer ist, die wir in dieser Welt erleben können. Das Abenteuer, herauszufinden, dass das Leben größer, weiter, tiefer und schöner ist, als wir es zu verstehen wagen. Jener Geist kann den Wanderer umgeben und die berühren, die ihm begegnen. Auch wenn man das selbst oft nicht spürt, manchmal sogar das Gegenteil fühlt und denkt, man verwirre die Leute nur, werde als Träumer und Taugenichts gesehen. 

 

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