Stille

Stille

Gedanken rollen aus , die Ebbe kommt

das Rauschen geht, es bleibt der Strand

geduldig liegt der leise Sand

die Seel hier wohnt, stilles Land

 

"Einfach leben, gar nicht so leicht, einfach ist tief und nicht seicht und vielleicht." Willy Astor singt diese Zeilen. Es beschreibt für mich jene Sehnsucht nach Stille, die wir in uns tragen. Es ist nicht immer ein Verlangen danach, dass es ruhig um uns ist. Es ist oft eine Sehnsucht, dass die Maschine in uns mal Ruhe gibt. Dass wir aus unseren Plänen einmal aussteigen und dann einfach mal da sind. 

"Und dann muss man ja auch noch Zeit haben einfach da zu sitzen und vor sich hinzuschauen." So formulierte es Astrid Lindgren. Stille und Frieden sind keine hochkomplizierten Dinge für die man ins Kloster gehen muss, stundenlang meditieren muss, auch wenn uns das eine gute Richtung und Hilfestellung sein kann. Auf einem Seminar, bei dem wir für zwei Tage schwiegen, hatte ich nie das Gefühl zu schweigen, bis ich am Abend des zweiten Tages unter einem Baum saß, nichts zu tun hatte und auch nicht die Kraft hatte Großes zu bedenken. Da saß ich also, betrachtete die untergehende Sonne. Und saß, und saß und die Zeit verging und ich saß und schaute. 

Diese Zeiten brauchen wir. Sei es ein morgendlicher Spaziergang, der ganz uns gehört und unseren Gedanken für das was uns umgibt, sei es ein nachmittäglicher Kaffee, Kochen, Sport. Es ist interessant und wir verstehen nicht recht, wie es funktioniert, aber unser Herz schöpft aus diesen Zeiten seine Kraft, seinen Sinn. Es darf nun verbunden sein mit dem Leben, das nicht eingepfercht ist in Pläne, vertraut werden mit dem Leben, das wir sind. Ein geheimnisvoller Brunnen der sich da auftut. 

Schon bei der Weite habe ich davon geschrieben, dass dieses Hineinfallen in die Weite, in die Größe des Lebens, uns mit wahrer Kraft versorgen kann. Das Stillwerden ist eine Einladung, ein Ruf zur Authentizität. Ein Ruf seine Gefühle in der Ruhe zu benennen, sie anzusehen, zu akzeptieren und mit ihnen zu gehen. 

 

Auf meinen Wanderungen war es oft sehr still, doch still war ich selten. Es rattern in mir Gedanken, Pläne, Dinge. So viele Ausflüchte kennt das Hirn um nur ja nicht in die Stille der Wirklichkeit zu gehen. In wirklich stillen Momenten durfte ich das Gras am Wegrand bestaunen, das Rauschen des Flusses hören, überrascht einen Fisch im Wasser entdecken, einem Menschen begegnen. In alldem fühlte ich dann eine große Freude, eine große Freundschaft mit den Dingen. Ich war nicht mehr der höchste Berg der Welt, ich war ein Hügel in der weiten bunten geschwungenen Landschaft und hatte allen Grund zur Freude. 

Es ist auch erschreckend still zu werden, weil unsere Maßstäbe sie nicht messen können, oder ihr geringen Wert beimessen. Was ist schon Stille angesichts des Klimawandels, was ist schon Stille im Angesicht der Armut und Ungerechtigkeit? Wie soll uns das helfen, unsere Probleme zu lösen? Wie soll uns die Stille helfen, das zu werden, was wir uns erträumen?

In der Stille ist all jenes schon erfüllt. In der Stille ist die Armut schon besiegt. Gehen wir mit der Stille, wird unser Streben nach Gerechtigkeit ein ehrlicheres. Es geht weniger darum unsere Vorstellung von Gerechtigkeit umzusetzen und uns dann daran zu erfreuen, es geht dann darum, in unserer Freundschaft mit dem Leben unseren Teil hinzu zu legen. Wir folgen dem freudigen Weg, den uns die Stille weist, ohne uns darin stets bestätigen lassen zu wollen, dass es richtig und gut ist, was wir tun. Wir werden das spüren. Wir werden Teil. 

Das vermag die Stille.

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Mariela (Samstag, 28 März 2020)

    In einem animierten Film über einen Panda, der Kung Fu lernen will, sagt eine weise Schildkröte einen sehr schönen Satz:
    Das Gestern ist Geschichte, das Morgen nur Gerüchte doch das Heute ist die Gegenwart. Und die zu erleben ist ein Geschenk.
    (Yesterday is history, tomorrow is a mystery, but today is a gift. That's why it's called the present.) :)

  • #2

    Maria Anna (Samstag, 28 März 2020 13:34)

    Still sitzen
    Nichts tun
    Der Frühling kommt
    Das Gras wächst

    Aus China

  • #3

    Florian (Samstag, 28 März 2020 14:20)

    Meister Ugwai, danke Mariela. Und Maria, es ist schön daran zu denken, dass der Frühling kommt. Einfach kommt.